Kompetenzzentrum Kognitive Energiesysteme präsentiert KI-Spotlights

Auf dem Weg in ein erneuerbares Energiesystem entwickeln sich Verfahren der Künstlichen Intelligenz zur wichtigen Unterstützung bei Prognosen, dem Energiehandel und komplexen Herausforderungen im Anlagen- und Netzbetrieb. Das Kompetenzzentrum Kognitive Energiesysteme (K-ES) präsentiert den aktuellen Stand der Forschung in exemplarischen Vorzeigeprojekten, den Spotlights. Sie richten sich an alle, die besser verstehen wollen, wie praktische Lösungen an der Schnittstelle von Energie und Künstlicher Intelligenz aussehen können.

Das 2020 in Kassel gegründete Kompetenzzentrum Kognitive Energiesysteme (K-ES) erforscht, wie Künstliche Intelligenz (KI) im Energiesektor eingesetzt werden kann. Es zeigt beispielsweise, dass intelligente Agenten künftig in vielen Bereichen die Steuerung von Anlagen und Netzen selbstständig übernehmen können. Besonders interessant ist diese Möglichkeit im Umgang mit wetterabhängiger Energieerzeugung. Hier können künftig Prognosemodelle mit Künstlicher Intelligenz deutlich genauer arbeiten als mit heutigen Verfahren.

Prof. Dr. Kurt Rohrig, Leiter des Fraunhofer IEE, betont die Notwendigkeit der intelligenten Digitalisierung in Bezug auf das Gesamtsystem: »Ein Entscheidungsprozess in einem dezentralen System wird deutlich komplexer sein als wir es heute kennen, da sich die Zahl der Eingangsvariablen massiv erhöht. Erst mit Hilfe Künstlicher Intelligenz wird es möglich, unterschiedliche, komplexe Systeme wie Strom- und Wärmeversorgung sowie die Mobilität über automatisierte Entscheidungen gemeinsam zu betreiben. Das setzt robuste Prozesse in Echtzeit voraus.«

Agenten lernen Stromhandel und den Einsatz von Erzeugungsanlagen

Konkrete Anwendungsmöglichkeiten für KI gibt es in ganz unterschiedlichen Bereichen der Energiewirtschaft. Im Projekt Deep Energy Trade zeigt ein Demonstrator wie intelligenter automatisierter Stromhandel funktionieren kann. Ein Agent lernt dabei selbständig Handelsstrategien zu identifizieren und Käufe oder Verkäufe auszulösen. Durch das sogenannte Deep Reinforcement Learning (DRL) werden Kosten reduziert und der Handel vereinfacht. Das erleichtert den Zugang auch für Marktteilnehmer, die nur kleine Energiemengen am Markt handeln möchten.

Auch der Anlageneinsatz lässt sich mit KI optimieren. Im Energiemanagement von erneuerbaren Anlagenportfolios, wie Photovoltaik- und Windenergieanlagen in Kombination mit Speichertechnologien und flexiblen Verbrauchern, wie Elektrolyseuren oder Elektromobilen, lässt sich kurzfristig der Einsatz intelligent und automatisiert planen. Das Projekt Cognition²H2Force untersucht die Anwendung von DRL für diesen Einsatzzweck. Dazu werden Power-to-Gas-Anlagen zur Erzeugung und Speicherung von Wasserstoff mit Windenergieanlagen sowie Speichern kombiniert. Ziel ist die Entwicklung eines digitalen Zwillings eines solchen Portfolios, in dem selbstlernende Optimierungsalgorithmen trainiert werden können, welche anschließend bereit sind für die selbstständige Einsatzplanung.

Um den Umgang mit Störungen kümmert sich das Projekt ARCANA. Windanlagenbetreiber nutzen bisher eine automatisierte vorausschauende Wartung. Die Forschung geht nun einen Schritt weiter und beschäftigt sich mit der Diagnose von Fehlern durch DRL. Im Ergebnis liefert das KI-System nicht einen Alarm, sondern benennt auch die Ursachen, die zu einem Ausfall geführt haben und wie diese zu beheben sind.

Einstrahlungsprognosen werden genauer mit KI

Das Projekt NeuRaSat verbessert die Genauigkeit von Einstrahlungsprognosen durch Satellitendaten. Eine exakte Prognose von Sonneneinstrahlung und Wolkenverhalten ist zentral für die zu erwartende Stromerzeugung, den Energiehandel und den sicheren Betrieb von Stromnetzen. Dabei fließen insbesondere Wolkenposition, -bewegung und -dichte ein.

Ziel des Projekts Temporal Fusion Transformers (TFT) ist die Demonstration von Windprognosen. Die Vielzahl an Daten kann in einem Modell verarbeitet werden, das eine probabilistische Leistungsprognose für einen Windpark errechnen kann. Dazu werden räumlich-zeitliche Abhängigkeiten gebündelt, die für unterschiedliche Orte und Zeiten vorliegen. Informationen über Windgeschwindigkeiten an einem Messort fließen in die Prognosen für andere Orte ein.

Nicht nur Stromerzeuger auch Netzbetreiber benötigen sichere Prognosen für den Betrieb. Probabilistische Netzzustandsprognosen berücksichtigen unterschiedliche Wettermodelle und bewerten deren Wahrscheinlichkeit mit Hilfe eines neuronalen Netzes. Dabei werden auch unwahrscheinliche, aber sehr relevante Ereignisse einbezogen. Mit KI lassen sich zudem präzisere Einschätzungen zur Netztopologie treffen. Das Projekt Vertikale Lastprognosen verwendet Deep Learning mit einem Verfahren, das auf Long-Short Term Memory ANN (LSTM) beruht.

Netzbetrieb als Trainingsaufgabe in der Simulation

Das Projekt KI OPF untersucht, ob DRL für Netzengpassbeseitigung und Flexibilitätsabrufe unter Berücksichtigung von Prognoseunsicherheiten geeignet ist. Dafür wird ein Netzsimulator genutzt, um das Training des Systems zu realisieren. Die Anwendung zielt auf neue Vorschriften für die untere Spannungsebene ab. Verteilnetzbetreiber können damit ihre Systemsteuerung nach den Vorgaben des Redispatch 2.0 unterstützen.

Im Projekt CTRL (Cognitive Train/Test System for Reinforcement Learning using Labs) wird anhand eines Agenten zur Regelung eines Ortsnetztrafo demonstriert, wie die Spannungshaltung automatisiert werden kann. Vom simulativen Pretraining über realistische Hardware-in-the-Loop Methoden bis hin zu Feldtests werden hierbei Agenten schrittweise auf ihre Einsatzgebiete vorbereitet.

Neuartige Verfahren zur Inselnetzerkennung mit KI-Unterstützung werden im Projekt AIsland entwickelt. Die Verfahren werden hier besonders darauf sensibilisiert, ungewollte Inselnetze in Netzstrukturen mit einer hohen Stromrichterdurchdringung erkennen zu können.

Es ist bereits vorstellbar, dass auch das gesamte Stromnetz eines Tages automatisiert funktioniert. Im Rahmen des internationalen Wettbewerbs "L2RPN Challenge“ („Learn to Run a Power Network") auf Initiative des französischen Übertragungsnetzbetreibers RTE konnte ein selbstlernender Agent beweisen, dass er mit fluktuierenden Einspeisungen und Lasten, Wartungsarbeiten und bösartigen Angriffe umgehen kann. Der im Rahmen des Projekts KESL2RPN entwickelte Agent erreichte Platz 5 von 50 internationalen Teilnehmern.

KI kann auch die Entwicklung von neuen Geräten vorantreiben. Konkret untersuchen Wissenschaftler des K-ES im Projekt InvEx, ob sich mit einem Expertensystem die Entwicklungszeit von Stromrichtern verkürzen lässt. Herzstück der KI-Anwendung ist eine Datenbank für Stromrichterbauteile und Komponenten, Topologien und Regelalgorithmen.

Über Kognitive Systeme

Ein Kognitives System kann seinen eigenen Zustand und den seiner Assets anhand verfügbarer Informationen selbstständig bestimmen und durch die Fähigkeit zur Adaption lernen, vorgegebene Ziele selbstständig zu erreichen. Kognitive Energiesysteme sind eine Schlüsseltechnologie für die Energiewende. Anwendungen in der Stromwirtschaft finden sich im Bereich der Netzführung und dem Management von Erzeugung und Verbrauch.

Über das Kompetenzzentrum Kognitive Energiesysteme (K-ES)

Der Aufbau des Kompetenzzentrum Kognitive Energiesysteme (K-ES) wurde 2020 von der Hessischen Landesregierung beauftragt. Dabei geht es primär darum, ein Ökosystem für Innovationen zu schaffen und eine Community von Experten zu bilden. In den nächsten zehn Jahren ist geplant, dass sich am K-ES rund 100 Experten mit den Disziplinen Data Science, Advances in Machine Learning, Recommender Systems und Digital Innovation Management beschäftigen. Das Fördervolumen in den Jahren 2020 bis 2022 beträgt 5,8 Mio. Euro.

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