1 | 25 Ein Zwilling für jeden Ein digitaler Doppelgänger aus Gesundheitsdaten soll mithilfe von KI die Medizin revolutionieren – und es eines Tages ermöglichen, Krankheiten zu erkennen, bevor sie entstanden sind. Von Beate Strobel B ereits im Jahr 2033 soll das Smart- phone unseren wichtigsten Ge- sundheitswächter beherbergen: unser virtuelles Spiegelbild aus Bits und Bytes, in dem all jene medizinisch re- levanten Informationen zusammenkommen, die je über und durch uns erhoben wurden. Auf Basis dieser ganz individuellen Daten und Fakten wird uns eine KI nicht nur an die Krebsvorsorge erinnern oder die Frühjahrsdi- ät anmahnen, sondern auch rechtzeitig Alarm schlagen, wenn etwa eine Herzerkrankung oder Diabetes Typ 2 drohen. Die Zukunftstech- nologie »Digitaler Patienten-Zwilling« besitzt damit das Potenzial für einen Paradigmen- wechsel in der Gesundheitsversorgung: Er- krankungen präventiv zu verhindern, anstatt lange nichts zu machen und dann zu thera- pieren, wenn die Krankheit ausgebrochen ist. Dass sich die Digitalen Patienten-Zwillin- ge schon 2033 flächendeckend durchgesetzt haben werden, erscheint zunächst fraglich an- gesichts der vielen Jahre, die bis zur Einfüh- rung digitaler Lösungen wie dem eRezept oder der elektronischen Patientenakte verstrichen sind. Dennoch halten es die Forscherinnen und Forscher des Fraunhofer-Instituts für Experi- mentelles Software Engineering IESE für durch- aus möglich, wie sie im Whitepaper »Digitale Gesundheitsversorgung 2033. Trends, Szena- rien und Thesen« betonen. Auch wenn Deutsch- land bislang im europäischen Vergleich bei der Digitalisierung des Gesundheitswesens eher schlecht abschneidet, habe man sich zumin- dest im Themenfeld der digitalen Gesundheits- anwendungen eine Vorreiterrolle erarbeitet, betont Dr. Theresa Ahrens. »Bei der Implemen- tierung Digitaler Gesundheitsanwendungen – den sogenannten DiGa – wollen viele andere 50 Die Zukunfts- technologie »Digitaler Patienten- Zwilling« besitzt das Potenzial für einen Paradig- menwechsel in der Gesund- heitsver- sorgung. EU-Länder inzwischen unser Konzept über- nehmen«, erklärt die Leiterin der Abteilung »Digital Health Engineering« am Fraunhofer IESE in Kaiserslautern. Die zügige Entwicklung innovativer Technologien wie Digitalen Patien- ten-Zwillingen ist inzwischen auch Teil der deutschen Digitalisierungsstrategie für das Gesundheitswesen und die Pflege. Täglich werden gigantische Mengen an in- dividuellen Gesundheitsdaten erhoben – in Krankenhäusern und Arztpraxen, aber auch über Apps und sogenannte Wearables, also digitale Tracker, die im Smartphone, in der Uhr, in Armbändern oder auch in der Klei- dung integriert sind. Diese Datenflut wird bis- lang nur tröpfchenweise genutzt: etwa, um mittels Röntgenbild einen Knochenbruch zu diagnostizieren oder um die Zunahme der persönlichen Fitness zu beobachten. Schade darum, findet Data Scientist Jean Stadlbauer vom Fraunhofer IESE, denn: Würde man eine KI mit allen verfügbaren individuellen Ge- sundheitsinformationen füttern, könnte sie aussagekräftige Muster in dem scheinbaren Datenchaos erkennen und über Algorithmen valide Aussagen zu Prävention, Diagnose und Therapieerfolg machen. Stadlbauer: »Das wäre ein Riesenschritt hin zur personenzentrierten Medizin.« Doch während sich der digitale Doppel- gänger von Maschinen in der Industrie längst durchgesetzt hat, steckt dieser Ansatz in der Medizin noch in den Anfängen. Und das aus gutem Grund: »Der Mensch ist nun einmal keine Maschine. Auch wenn man schon viel weiß über die molekularen Mechanismen im Körper, können wir die Komplexität auf Zell- ebene noch nicht in Gänze digital abbilden«,